Chronik der „Ilsenburger Heimstatt für Jung und Alt e.V.“
1. Das „Emmastift“ als Krankenhaus 1868 - 1912
Die Kreisstadt Wernigerode verfügt seit 1831 über ein Krankenhaus, dass seit 1850 auch für alle Orte der Grafschaft Wernigerode geöffnet ist. Obwohl die Kapazität nicht ausgelastet ist, ergreift der regierende Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode 1867 die Initiative zum Bau eines eigenen Krankenhauses für Ilsenburg.
Damit soll in erster Linie den Arbeitern der Eisenhüttenwerke die Möglichkeit einer stationären Behandlung gegeben werden. Anregend kommt außerdem ein Kapital aus der Erbschaft der Prinzessin Julie von Schönberg aus dem Jahre 1848 in Dresden hinzu in Höhe von 2.019 Talern. Dieses Kapital bestimmt Graf Otto zum Bau des nun geplanten Krankenhauses. Bereits 1867 legt der Baurat Messow den Bauentwurf vor.
Das Gelände stiftet der Landschaftsmaler Heinrich Georg Crola. Aus dem Gartengelände des Ehepaares Crola an der Punierstraße zweigt Herr Crola ein Grundstück ab, dass mit Schenkungsvertrag dem Grafen Otto zu Stolberg-Wernigerode übergeben wird.
Die Bauarbeiten haben schon begonnen, ehe die Schenkungsurkunde unterzeichnet ist.
Mit Datum vom 17.10.1868 wird das Statut des Krankenhauses abgefaßt und unterzeichnet.
§ 1 bestimmt als Zweck der Stiftung: „Die Stiftung besteht darin, Kranke aufzunehmen und ihnen bei einer geregelten Krankenpflege ärztliche Behandlung zu gewähren.“
§ 14 regelt die finanzielle Beteiligung der Patienten an den Krankenhauskosten und bestimmt: „Ob ein Kranker den ganzen etatmäßigen Verpflegungssatz oder nur eine Quote desselben oder gar nichts zu entrichten hat, bestimmt das Curatorium.“ Jeder kann unentgeltlich behandelt werden.
Am 21. Oktober 1868 erfolgt die feierliche Einweihung des Krankenhauses. In der von Graf Otto ausgestellten Stiftungsurkunde wird bestimmt, dass das Krankenhaus den Namen „Emmastift“ erhält, nach der ersten Kuratoriumsvorsitzenden Witwe Emma des Erbgrafen Hermann, Mutter des regierenden Grafen Otto.
Als Krankenschwester ist eine Diakonisse des Krankenhauses Bethanien in Berlin tätig. Außerdem verfügt das Krankenhaus auch über einen männlichen Pfleger. Da das Krankenhaus die meiste Zeit unterbelegt ist, arbeitet die Diakonisse auch als Gemeindeschwester. Als Arzt ist Dr. Stephan aus Ilsenburg tätig.
Trotz der geringen Größe des Krankenhauses gibt es drei Klassen zu 0,50 M, 0,75 M und 1,00 M. 1880 zahlen Patienten aus eigenen Mitteln 429,00 M, 1883 790,00 M. Der Kostensatz aus der Gemeindekasse beträgt aber unverändert 50,00 M.
Nach 1880 und 1890 erfolgen Anbauten an das „Emmastift“, die sich deutlich vom Stil des alten Messow-Baus unterscheiden. Damit erhöht sich die Kapazität beträchtlich.
Mit der Eröffnung des neuerbauten Krankenhauses in Wernigerode 1899 das gegenüber dem in Ilsenburg viel moderner eingerichtet ist, verliert das Ilsenburger Krankenhaus immer mehr an Bedeutung. So steht 1912 das Kuratorium vor der Entscheidung, ob das Haus im ursprünglichen Sinn weitergeführt oder einer neuen Bestimmung übergeben werden soll.
2. Das „Emmastift“ als Siechen-Haus 1912 - 1931
Am 30. Mai 1912 wird die Veränderung zur Aufnahme von Siechen eingereicht und von Fürst Christian-Ernst zu Stolberg-Wernigerode genehmigt. Um den neuen Funktionen gerecht werden zu können wurde wieder ausgebaut. Der Anbau von 1880 bzw. 1890 erhält das zweite Stockwerk.
Schon seit 1907 leitet die Erbprinzessin Renata zu Stolberg-Wernigerode als letzte die traditionsreiche Aufgabe der Familie. Die Betreuung der Insassen haben schon 1900 die Diakonissen des Elisabeth-Diakonissen- und Krankenhaus in Berlin übernommen laut Vertragsabschluss über Schwesternentsendung.
Die Bestimmung im § 1 lautet: „Die Frau Oberin sendet in das Krankenhaus „Emmastift“ zu Ilsenburg eine Schwester, welche in demselben die Krankenpflege, Ökonomie und innere Verwaltung übernimmt." Der Jahresbeitrag an Stationsgeld beträgt 210,00 M.
Im Laufe der Jahre pflegten die Diakonissen schon nicht mehr nur „Sieche“ wie es 1912 festgelegt wurde und somit änderte das „Emmastift“ wiederum seine Bestimmung.
3. Das „Emmastift“ als Altersheim 1931
Im Jahre 1931 wurden neue Satzungen erarbeitet, die dem Status eines Altenheimes entsprechen und am 1. April 1931 treten sie in Kraft.
Der § 1 bestimmt: „Der Zweck der Stiftung „Emmastift“ besteht darin, alte, schwache und alleinstehende Personen beiderlei Geschlechts aufzunehmen und ihnen geregelte Pflege zu gewähren.“
Der Vorstand besteht aus 5 Mitgliedern, und das Stift steht unter Oberaufsicht des Regierungspräsidenten in Magdeburg.
In dieser Ordnung und mit diesen Statuten erlebt das „Emmastift“ die 30-iger Jahre und den zweiten Weltkrieg. In dieser Zeit, von 1932 bis 1935, gab es eine rege Bautätigkeit im Hause. So entstand 1932 der Holzschuppen, 1933 wurde die Zentralheizung eingebaut, 1934 wurde der Koksschuppen erweitert und 1935 eine Badestube, Speisekammer und Keller (heute Abwaschküche und Kartoffelkeller) angebaut sowie der Balkon an der Südseite des Hauses.
Die Bauarbeiten leitete Schwester Emma, die kleine, zierliche aber so energische Frau. Sie leitete vom 26.10.1931 bis 10.10.1963 das Heim und war vielen kleinen und großen Ilsenburgern gut bekannt. Schwester Emma hat ein hohes Alter erreicht. Sie ist im Alter von 97 Jahren in Berlin gestorben und war bis zuletzt ein freundlicher, fröhlicher Mensch.
Nach Kriegsende 1945 begann eine schwere Zeit für alle Menschen in Deutschland und auch für die Bewohner des „Emmastiftes“ und ihre Leiterin. Alle lebensnotwendigen Dinge wie Nahrung, Kleidung, Heizmaterial und die Beschaffung erforderte unendliche viel Kraft und Phantasie.
Schwester Emma hatte beides. Gemeinsam mit ihren Mitarbeitern sammelte sie alles, was Feld und Garten hergaben, wie Hagebutten, Holunder, Beeren, Holz für den Winter. Der Garten wurde bestellt und pro Jahr 2 Schweine mit den Abfällen des Hauses gefüttert. Und so brachte sie die Heimbewohner durch die schweren Nachkriegsjahre.
Geschäftsführer war in diesen Jahren Kaufmann Ernst Lüttge.
1952 wurde das gesamte Vermögen des „Emmastiftes“ auf den Kirchenkreis Wernigerode - Sondervermögen Innere Mission -, vertreten durch den Kreiskirchenrat Wernigerode, übertragen.
Als 1963 Schwester Emmas Dienst beendet war, endete auch der Stationsvertrag mit dem Elisabeth-Diakonissen- und Krankenhaus in Berlin. An seine Stelle trat der Vertrag mit dem Diakonissen-Mutterhaus Neuvandsburg. Schwester Elisabeth Hartmann war die erste Schwester. Ihr folgte 1966 Schwester Erna Steckler und ab 1964 ist Schwester Brigitte Karstedt als Zweitschwester im „Emmastift“ tätig.
Seit 1968 stellt der Staat finanzielle Mittel allen kirchlichen Heimen, also auch dem „Emmastift“, zur Verfügung in Form des „kostendeckenden Pflegesatzes“. Er soll den laufenden Betrieb der Heime unterstützen helfen. Praktisch wird aber nur ein Teil der Gesamtkosten gedeckt. Für Investitionen stehen keine staatlichen Mittel zur Verfügung.
Seit 1972 führte Frau Hermes die Geschäfte des „Emmastiftes“ im Auftrag des Kuratoriums, dessen Vorsitzender zu dieser Zeit Pfarrer Tiedemann ist.
1980 entschied der Vorstand, alle 3 Ilsenburger Feierabendheime aus verwaltungstechnischen Gründen unter eine Heimleitung zu stellen. Seit 1981 ist somit Herr Strzeletz Heimleiter der Evangelischen Feierabendheime Ilsenburg, deren größtes Heim das „Emmastift“ ist.
Bis 1985 leitete Herr Strzeletz die Heime mit Sachkenntnis und Erfahrung und sorgte dafür, dass die Lebensbedingungen weiter verbessert wurden. Die Bäder im „Emmastift“ wurden eingebaut und die Klärgrube fertiggestellt. 1985 ging Herr Strzeletz in den wohlverdienten Ruhestand und übergab am 01.09.1985 die Leitung der Heime Herrn Ringleb, der mit seiner Familie das Haus Punierstraße 13 bezog. 1990 wurde er in den Vorstand der „Ilsenburger Heimstatt für Jung und Alt e.V.“ gewählt.
Ebenfalls mit dem Jahre 1985 lief der Stationsvertrag mit dem Diakonissen-Mutterhaus Neuvandsburg offiziell aus. Nur Schwester Brigitte blieb auf eigenen Wunsch in Ilsenburg. Alle anderen Schwestern wurden im Laufe der Zeit durch „freie Schwestern“ ersetzt.
Bedingt durch den Weggang der Diakonissen wurden mit der Zeit viele neue Mitarbeiter eingestellt. Trotz des Einsatzes „Freier Schwestern“ wird der diakonische Auftrag beibehalten. Garanten hierfür sind der Gemeindekirchenrat und die bestellten Mitglieder des Vorstandes. Natürlich brachte dieser Einschnitt auch für die Bewohner Folgen mit sich. Nicht die gleichen Mitarbeiter betreuen sie rund um die Uhr. Jetzt verteilen sich die Aufgaben auf mehrere Mitarbeiter in mehreren Schichten. Hinzu kommt, dass der Altersdurchschnitt immer größer wird und sich mehr psychische und physische Defizite einstellen, denen man in besonderer Weise programmatisch begegnen muss. Dadurch ändert sich auch die inhaltliche Begleitung der Bewohner durch die Mitarbeiter.
120 Jahre steht das „Emmastift“ im Dienst am Nächsten. Die Forderung des Staates an die Diakonie geht dahin, dass der Status des Feierabendheimes für das „Emmastift“ aufgegeben werden soll. Seit 1987 wurde deshalb an Konzeptionen gearbeitet, die die diakonische Arbeit in Form des Heimes in der lebendigen Gemeinde in Ilsenburg ermöglichen. Bis Mai 1988 hat die Leitung der Heime mit den staatlichen Stellen nach schwierigen und langwierigen Verhandlungen eine Aufschiebung der Schließung erreicht. Am 28. Mai 1988 legte das Heim ein Konzept vor, dass von vielen als utopisch belächelt wurde. Der Vorstand hielt dennoch an ihm fest, obwohl nun auch kirchliche Stellen gegen dieses Konzept vorgingen. Im Sommer des Jahres 1988 verwendeten sich für die Fortführung der Arbeit in Ilsenburg in besonderer Weise der Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr Diepgen und der Schriftsteller Stefan Heym. Das fand bei den kirchlichen Stellen keine Zustimmung. Am 13. Dezember 1988, dem Todestag der langjährigen Leiterin des „Clementinenhauses“, Schwester Paula, hat der Diakonische Rat gegen den Vorstand entschieden und die Schließung bestätigt. Dieses teilte er am 24.12.1988 dem Vorstand mit.
Am 30.12.1988 unternahm der Heimleiter einen von der Diakonie unerwünschten Schritt. Er verhandelte mit der Staatsbank über einen Kredit auf der Grundlage des Wohnungsbauprogramms. Im März 1989 wurde der Kredit unter Auflagen bestätigt. Da ein Anbau an das „Emmastift“ zu dem Zeitpunkt politisch nicht realisierbar war, wurde der Kreuzfriedhof, ein landschaftlich schöner Park, als Baufläche bestimmt.
Zwischenzeitlich wurde bereits Material gekauft und bereitgestellt.
Auf Betreiben des Heimleiters wurden 1989 sämtliche Maßnahmen, die mit dem Neubau im Zusammenhang standen, gestoppt, in der Hoffnung, dass das gesamte ehemalige Heimeigentum an Grund und Boden wieder erlangt werden könnte. Im Dezember 1990 gründete sich der Verein „Ilsenburger Heimstatt für Jung und Alt e.V.“. Jung und Alt deshalb, weil der Kindergarten, der bis 1965 zur Einrichtung gehörte, wieder an uns verkauft wurde. Nun wurde ganz verstärkt der Neubau eines Heimes geplant und voran getrieben. Am 20.12.1991 wurde der Zuwendungsbescheid des Landes Sachsen-Anhalt an den Vorstand übergeben.
Finanziell beteiligten sich an dem Neubau:
Land Sachsen-Anhalt
Bundesrepublik Deutschland
Stadt Ilsenburg
Landkreis Wernigerode
„Die goldene Eins“
Am 30.04.1994 wird der Neubau von der Architektenarbeitsgemeinschaft Kirchner, Przyborowski, Lindemann und Thamm an den Vorstand übergeben.
Möge der Herr unsere Arbeit segnen.